Newsrooms in Grossunternehmen – schrumpfende Redaktionen in den Zeitungshäusern: Der Trend unserer Zeit.

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Die Nachricht aus dem Medienunternehmen CH Media lässt aufhorchen. Das Medienunternehmen, dem AZ Medien und NZZ-Regionalmedien angehören, versucht, im grossen Verbund und einem dichten Netz an Journalisten qualitativ hoch stehende Nachrichten in die Landesteile der Zentral-, Ost- und Nordostschweiz zu bringen. Rund zwei Drittel der 45-köpfigen Zentralredaktion von CH Media im Aarauer Newsroom und in der Bundeshausredaktion in Bern kommt vom «St. Galler Tagblatt» und von der «Luzerner Zeitung». In den Lokalredaktionen der Luzerner Zeitung und des St. Galler Tagblattes verbleiben demnach Schrumpfredaktionen.

Kurt Imhof: „Das kann sich eine Demokratie nicht leisten“

Nun macht es in der Tat keinen Sinn, wenn sich Medienhäuser eigene überregionale Ressorts leisten, nachdem der Inseratemarkt weiterhin und uneingeschränkt schrumpft. Hingegen ist es interessant, mit welchen Ressourcen Zeitungshäuser aktuell und vermutlich akzentuiert in Zukunft ihre Aufgaben bestreiten müssen. Und wie lange es dauert, bis die Bevölkerung etwas dagegen unternimmt. Respektive, ob sie überhaupt aktiv wird. Ich kann mich noch gut an mein Interview mit dem inzwischen verstorbenen Mediensoziologen Kurt Imhof erinnern, der mir einstmals gesagt hat: „Medienangebot und Medien­konsum schlichten sich bereits ab, die qualitätsniedrigen Medien vergrössern ihren Anteil markant. Das kann sich eine Demokratie nicht leisten.“

Seit Imhofs Tod sind einige Jahre vergangen. Imhof würde sich vermutlich verwundert die Augen reiben, wenn er sähe, wie schnell der Umbruch voran schreitet.

Lokalredaktionen müssen mit wenig Ressourcen den hohen Ansprüchen der Bevölkerung gerecht werden. Nachdem Jahresabonnements bei rund 300 Franken liegen, ist dies in der Tat ein gerechtfertigter Anspruch.

Grossunternehmen hingegen können auf immer grössere Kommunikationsabteilungen zurückgreifen, die die Inhalte der Firma auf den sozialen Foren in optimaler Weise präsentieren. Wer einmal den Arbeitsort solcher Kommunikationsabteilungen besichtigt hat, weiss, wovon ich rede. Diese Newsrooms unterscheiden sich punkto Ausrüstung in keiner Weise von jenen in Medienhäusern. Hier werden auf riesigen Flachbildschirmen die neusten Nachrichten präsentiert, überlegen sich Video-Journalisten, Cutter, Story-Teller, Social-Media-Verantwortliche und Grafiker in modernen Grossraumbüros die neusten Online-Kommunikation-Kampagnen. Kurz: Der Kampf um finanzielle Ressourcen findet in anderen Abteilungen statt.

Firmen mit riesigen Kommunikationsabteilungen

Gerade jüngst habe ich von einer Firma in der Zentralschweiz mit rund 1000 Mitarbeitern gehört, die inzwischen Ihre Kommunikationsabteilung auf 50 Personen ausgebaut hat. Von solchen Verhältnissen können Chefredaktorinnen und Chefredaktoren nur träumen.

Nun wissen wir alle: Der Markt bestimmt das Angebot. Fragt sich, wohin dies bezüglich Newsgehalt führen wird. Es ist nur rechtens, wenn sich Grossunternehmen Heerscharen von Kommunikationsprofis leisten.

Journalisten haben andere Aufgaben. Ihr Auftrag ist es, das politische und aktuelle Geschehen so neutral wie nur möglich zu beleuchten und einzuordnen. Ihre Artikel sollen gut recherchiert sein, sämtliche Parteien zu Wort kommen lassen, um dann in einem Kommentar oder einer Analyse die Situation einzuordnen, damit sich der Leser seine eigene Meinung bilden kann.

Und in den Online-Plattformen? Täglich werden wir mit tausenden von Artikeln beschenkt. Haben die Qual der Wahl. Entscheiden uns innert Sekunden, was uns interessiert und was nicht.

In der Regel das, was unterhaltsam ist.

Es würde mich Wunder nehmen, was Kurt Imhof zu dieser Tendenz sagen würde.

Herzlichst,

Simone Hinnen Wolf

www.hinnenmedia.ch